Phleps, Thomas: Zwischen Adorno und Zappa. Semantische und funktionale Inszenierungen in der Musik des 20.
Jahrhunderts (Zwischen/Töne. Neue Folge, Band 2) ISBN 3-89693-184-9 (09/2001)
350 Seiten, 112 Abb., Ebr., EUR 35,00
In seinen stofflich weitgespannten Untersuchungen entwirft der Autor ein Panorama der
Zusammenhänge, der Verkoppelungen und Verkupplungen von Musik und Zeitgeschehen, von musikalischen Strukturen und Bedeutungen. Teils hintergründig programmatisch, teils heftig polemisierend gegen Klischees und
Floskeln in der Rezeption, aber auch in der Sache selbst – hier zumal bei Frank Zappa und der zweifach beleuchteten deutschen Schlagerproduktion, aber auch beim großen Charles Ives – werden über die
Einzelwerke hinausweisende Entwicklungen, nicht selten auch entferntere Traditionsbezüge aufgedeckt: –: musikalische Analysen von Stefan Wolpes Stehender Musik über Hanns Eislers Schubert-Bezüge bis zu Mozartesker populärer Musik weiten sich zur Rezeptions- und Wirkungsgeschichte. Daß bei Adorno eingesetzt wird, markiert den historischen Standort; ausbalanciert wird Adornos engagementferner Ansatz freilich durch Eisler –: Zielbewußte Avantgarte, Musik also, die in die gesellschaftliche Praxis zurückkehrt, inspiziert in linker Musik vor 1933 wie Hans Werner Henzes Voices-Partikel Vermutung über Hessen.
Ebenfalls in Opposition zu der für Adorno konstitutiven und musikwissenschaftlich weiterhin gängigen antibiographischen Tendenz wird nachdrücklich die Person des Musikproduzierenden als eine wesentliche
Vermittlungsinstanz fürs Werk in den Blick gefaßt –: in der Durchlässigkeit für Zeitverhältnisse, Soziales, Politisches, den intertextuellen Beziehungen von Paul Dessaus Guernica und Eislers Exilmusik oder in der Durchlässigkeit der Musik für die Dimension des (Komponisten-)Lebens überhaupt – so bei den umfangreichen Ives- und Zappa-Exegesen bis ins tatsächlich peinliche oder absurde Detail hinein. Versenkt in Details beim seltsamen Spiel der Liebe, loten schließlich analytische Erkundungen der von Kurt Schwitters und Stefan Wolpe kreierten Anna Blume und der vom deutschen Schlager okkupierten “Schönen Fremden” die Dimensionen des Musikprozesses aus –: als Gesamt der Vorgänge zwischen Idee und Wirkung nicht nur des Tonsatzes, sondern auch und gerade des Einsatzes in sozialen Kontexten. Mit ihrem perspektivisch-collagierten Zugriff auf Musiken verschiedenster Couleur und ihrem Insistieren auf dem heutzutage zunehmend als Zumutung empfundenen Sachverhalt, daß die musikalische Sache immer mit Bedeutung aufgeladen ist, weisen die vorliegenden Studien zu semantischen und funktionalen Inszenierungen in Musik des 20. Jahrhunderts, zweifellos querständig zum Mainstream, Wege ins Zentrum eines umfassenden, Soziales wie Künstlerisch-Ästhetisches gleichermaßen bedenkendes Musikverstehen.
Inhalt
Hanns-Werner Heister: Töne Worte Zahlen Zeichen. Musik im
Sozialkontext Einleitung I. Dramaturgischer Kontrapunkt : Tradition 1. Moterne Zeiten: Stefan Wolpes Stehende Musik 2. “Die Kunst zu erben”: Hanns Eisler Wiegenlieder, Balladen und Franz Schubert 3. Zeitloser Mozart: Phänomene der Reduktion in populärer Musik
II. Die sichtbare Solidarität : Politik 1. Musik-Texte am linken Rand vor Dreiunddreißig: Lieder von Hanns Eisler, Wladimir Vogel, Stefan Wolpe 2. Blick zurück: Hans Werner Henzes Vermutung über Hesen
III. Geographie und Geschichte : Exil 1. Guernica: Musik im Exil von Paul Dessau 2. “... ich kann mir gar nicht vorstellen, etwas Schöneres”: Hanns Eisler nach Dreiunddreißig
IV. Vorurteile und schlechte Gewohnheiten : Männlichkeit 1. “As I look back at those Times ...” Über Charles Ives und seine Musik in drei Sätzen 2. “The Crux of the Buscuit ...”
Politische und andere “Atrocities” in Frank Zappas Musik V. Diskretion : Liebe 1. Steig in das Traumboot der Liebe: Die Schöne Fremde und der deutsche Schlager 2. An Anna Blume:
ein vollchromatisiertes Liebesgedicht von Kurt Schwitters und Stefan Wolpe Literatur
|