Stolt, Birgit: „Laßt uns fröhlich springen!“
Gefühlswelt und Gefühlsnavigierung in Luthers Reformationsarbeit. Eine kognitive Emotionalitätsanalyse auf philologischer Basis (Studium Litterarum, Band
21) ISBN 978-3-89693-575-5 (06/2012)
350 Seiten, 22 x 15 cm, 8 Abb., Kt., EUR 54,00
Die seit mehreren Jahrzehnten international aktuelle Emotionalitätswissenschaft ist bisher in der Lutherforschung noch nicht fruchtbar gemacht
worden. Luther betont bekanntlich mit Paulus den „Glauben des Herzens“, „Herz“ verstanden als das Zentrum der Persönlichkeit: „intellectus et affectus“. Vorwiegend die intellectus-Seite
der Reformation ist Gegenstand der Forschung gewesen. Welche gefühlsmäßigen Umwälzungen brachte die Reformation mit sich, wenn althergebrachte Trost- und Zufluchtsinstanzen wie Heiligenkult, Ablasswesen etc. wertlos
wurden, und Zuflucht gerade bei dem gesucht werden sollte, vor dem man sich fürchtete? Luthers Bemühungen, das Bild des strafenden Weltenrichters Christus durch die Vorstellung des liebenden Heilands, die des
zürnenden Gottes durch ein liebevolles Vaterbild zu ersetzen, wird als „Emotionalitätsarbeit“ nachgezeichnet und interpretiert. Seine Devise: „Man muß den Katechismus treiben!“ kann z.B. in diesem Rahmen
aggressive Teufelsbekämpfung bedeuten. Emotionalität spielt in Luthers Unterricht, Predigt, Bibelübersetzung und Korrespondenz eine wichtige Rolle und zieht sich als roter Faden auch durch die Texte des Anhangs.
Diese bestätigen und erweitern die Befunde auf der Textebene. Birgit Stolts Werk ist
bahnbrechend – für die Sprachwissenschaft und noch mehr für die Theologie. (Christian Braw in: studia neophilologica, 85/2013)
Inhalt Teil I Einführung Gefühlswelt und zeitgeschichtlicher Hintergrund Erstes Kapitel Emotionen bei Luther im Licht gegenwärtiger Debatten
0. Einleitung 0.1 Zur Forschungslage 0.2 Sprach- und Kulturbarrieren 0.3 Ziel der Arbeit 1. Die Affekte/Emotionen – ein Überblick 1.1 Anzahl und Terminologie 1.2 Die Auffassung von den
Todsünden im Spätmittelalter 1.3 Zweckorientierte Affektenlehre der Rhetorik 2. Der „Herz“-Begriff bei Luther 2.1 Zentrum der Persönlichkeit 2.2. Intellectus et affectus 2.3 Verstehen und
Interpretieren 2.4 Sitz für Wille und Moral 2.5 Sitz für den Glauben 3. Theorie und Methode 3.1 Kognitiv orientierte Emotionalitätsforschung 3.2 Intelligenz der Gefühle 3.3 „Feeling
Rules“ 3.4 Veränderungen über Zeit und Raum 3.5 Doppelseitige Semantik der Gefühlswörter 4. Ausgangspunkt 4.1 Forschungslücken: affectus und Teufel 4.2 Methodische Gesichtspunkte 4.3 Aufbau und Gliederung 5. Einleitendes Textbeispiel
Zweites Kapitel Grundgefühle der Religion: Angst/Furcht und Liebe/Freude A. Pathos: Höllenangst und Gottesfurcht 1.
Das „Grundgefühl Angst“ 1.1 Zweisprachiges Wortfeld bei Luther 2. Anfechtung und der Teufel 2.1 Der Teufel als Antagonist 2.2 „Angst“ und ihre Bekämpfung 2.3 Exkurs. Ängste als
Teufelsversuchung in den Coburgbriefen 3. Furcht, timor 3.1. Sprachhistorischer und theologischer Hintergrund des Begriffes „Furcht“ 3.2 Die Ambivalenz von „Furcht“ 3.3 timere 4.
Zusammenfall von Angst und Furcht in deutschen Synonymen 5. Zusammenfassung B. Ethos: Freude, Liebe, Trost 1. Laetitia/Freude:
„Grundgefühl christlicher Existenz“ 2. Liebe/dilectio, charitas; lieben/diligo 3. Trost, tröstlich, getrost, trösten/consolatio, consolari 4. Zusammenfassung Drittes
Kapitel „Fürchten, Lieben und Vertrauen“: strategische Emotionsarbeit 0. Vorbemerkungen. Ziel, Methode 1. Umwälzungen im Gefühlshaushalt 2. Emotionskonflikte 3. Emotionsarbeit in Predigt und
Lehre 4. Emotionsarbeit im Gebet 4.1 Abwendung 4.2 Hinwendung 5. Zusammenfassung: Der „Glaube des Herzens“ im Kraftfeld der Emotionen
Teil II
Vorwort Erstes Kapitel Hier irrt der Lutherforscher. Zur ausschlaggebenden Bedeutung kritischer Texteditionen Zweites Kapitel Kulturbarrieren als Verständnisproblem 0. Zur
Ethnomethodologie 1. Einige kulturbedingte Aspekte der Kommunikation 1.1 Anredepronomen 1.2 Der Vorname 1.3 Begrüßungs- und Abschiedsrituale 1.4 Forderungen an den Übersetzer 2. Sitten und
Gebräuche 2.1 Ein Beispiel 2.2 Die Feste des Jahres – einige kulturbedingte Unterschiede 3. Emotionalität 3.1 Emotionale Normen verschiedener Kulturgemeinschaften 3.2 „Unterkommunikation“
als Verständigungsbarriere 3.3 Normal oder sentimental? 4. Kultur- und klimabedingte Sprachgebrauchsnormen – Probleme des „Lebensgefühls“ 5. Schluss Drittes Kapitel Bibelübersetzung
– ihre philologische Genauigkeit und Verständlichkeit 1. Die Lutherbibel heute 1.1 Das heutige Deutsch 1.2 Verlust der numinosen Komponente des Lebensgefühls 1.3 Mythos und Wissenschaft 1.4
Sakrale Sprache 1.5 Mythologisches contra wissenschaftliches Weltbild 1.6 „Nostalgische Tendenzen“ und die biblische Tradition 1.7 „Verstehenssignale“ 1.8 Das Verständnis von Bildern 1.9
Der „Biblia-pauperum-Effekt“ Viertes Kapitel Luther, die Bibel und das menschliche Herz. Stil- und Übersetzungsprobleme der Luther-Bibel damals und heute 1. Das Herz in der Bibel 2. Das Herz
bei Luther Fünftes Kapitel Biblische Erzählweise vor und seit Luther – sakralsprachlich – volkssprachlich – umgangssprachlich? Sechstes Kapitel Lieblichkeit und Zier, Ungestüm und
Donner. Martin Luther im Spiegel seiner Sprache 0. Einleitung 0.1 ... 0.2 Sprachliche Hürden 0.2.1 Das Frühneuhochdeutsche 0.2.2 Die Diglossie 0.3 Quellen 1.1. Sprachmischung 1.2 Frühe
Fälschungen 1.3 Latein und Rhetorik 2. Die Spannweite von Luthers Bibelübersetzung 2.1 Mittelalterliches Weltbild – moderne Sprachtheorie 2.2 Alltäglich – sakral 2.3 Textsignale des
Mythos 2.4 Langue – parole 3. „Lieblichkeit und Zier, Ungestüm und Donner“ 3.1 Ethos und Pathos 3.2 Luthers Verhältnis zur Rhetorik 3.3 Das Herz bei Luther 3.4 Ethos in Luthers
Bibelübersetzung und Verkündigung 3.5 Der Einfluss ehelicher Erfahrung auf Luthers Gottesbild 4. Ausblick: Sprache, Gefühl und Glaube Siebtes Kapitel „... und fühl’s im Herzen ...“ Luthers
Bibelübersetzung aus der Sicht neuerer Sprach- und Übersetzungswissenschaft 1. Zur Einführung 2. Das Herz 3. Die Bibelübersetzung 3.1 Traditionelle Übersetzungstheorie und –praxis 3.2
Luthers theoretische Äußerungen zur Übersetzung 3.3 Der Stil der Lutherbibel Achtes Kapitel Revisionen und Rückrevisionen des Luther-NT aus rhetorisch-stilistischer Sicht 1. Einleitung 2.
Bibeltexte aus rhetorisch-stilistischer Sicht 3. Luthers Bibelübersetzung 4. Luthers Vorrede auf den Psalter 5. Luthers „Deutsche Messe“ (1526) 6. Die umstrittene Rolle der Biblizismen 7. Die
Perikopen des Weihnachts- bzw. Dreikönigstages in der Fassung von 1975 und 1984. 8. Abschließende Bemerkungen Neuntes Kapitel „Mit fröhlichem springenden Geist“. Ethnolinguistische und
sprachhistorische Notizen zu Ausdrücken für „Freude“ in Martin Luthers Bibelübersetzung 1. Fragestellung 2. „Fröhlich“ bei Martin Luther 3. Traditionelle Bibelübersetzung und Lexika 4.
Die „hüpfende und springende Freude“ 5. Freudensprünge, vor Freude hüpfen: einige Belege Zehntes Kapitel Vorwürfe als Trost? Zum officium consolandi in Luthers Coburg-Briefen 1. Einleitung.
Das Problem der Härte 2. Philologische Vorbemerkungen 3. Textinterpretation 4. Wie wurde der „Trost“ aufgenommen? Elftes Kapitel Joy, Love and Trust. Basic ingredients in Martin
Luther’s Theology of the Faith of the Heart 1. The Medieval Luther 2. A modern trait: democratizing 3. The humanistic Luther 4. Was Luther a mystic? 5. Experience: theory and practice 6.
Conclusion Nachweis der Erstveröffentlichungen Literaturverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Zur Zitierweise Illustrationen
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