Home
 
Lieferbare Titel
 
Reihe
 
Germanistik
 

 
Studium Litterarum
Studien und Texte zur deutschen Literaturgeschichte
 
Herausgegeben von Knut Kiesant und Hans-Gert Roloff
 

Zimmermann, Martin: Technische Meisterkonstruktionen – dämonisches Zauberwerk: Der Automat in der mittelhochdeutschen Literatur. Eine Untersuchung zur Darstellung und Funktion von Automatenschilderungen in Erzähltexten des 12. bis 14. Jahrhunderts unter Berücksichtigung des kulturgeschichtlichen Hintergrundes
(Studium Litterarum, Band 20)
ISBN 978-3-89693-290-7 (08/2011)
351 Seiten, 22 x 15 cm, 20 Abb., Kt., EUR 54,00

 
Die fiktionalen Werke höfischer Erzählkunst bieten dem Leser ein umfangreiches Reservoir an teils skurril anmutenden technisch-mechanischen Vorstellungen und Phantasien. In diesem Zusammenhang erweist sich die literarische Darstellung von selbstbeweglichen, „automatischen“ Konstruktionen keineswegs als eine überraschende Ausnahme. Sie ist vielmehr als ein rekurrentes literarisches Motiv zu begreifen, dessen differenzierte Verwendung auf bestimmten Regularitäten fußt und eine Einteilung in wiederkehrende Typen zulässt.
Basierend auf der Auswertung eines umfangreichen Textkorpus der mittelhochdeutschen Erzählliteratur vom ausgehenden 12. bis zum späten 14. Jahrhundert werden die diversen Automatenbelegstellen klassifiziert und im Kontext des jeweiligen Einzeltextes mit Blick auf sein semantisch-ideologisches System näher beschrieben. Über eine solche Systematisierung und literaturwissenschaftliche Analyse hinaus beschäftigt sich diese Arbeit mit dem für die Automaten typischen kulturgeschichtlichen Hintergrund und unternimmt es, die besondere Position des mittelalterlichen Automaten im Überschneidungsbereich von Literatur und Technik aufzuzeigen. Wie die einzelnen Belegstellen vermuten lassen, nimmt die höfische Welt das Automatenthema wesentlich aus den divergierenden Blickwinkeln zentraler gesellschaftlicher Diskurse wie Religion, Kunst, Technik und Magie wahr. Der Automatentopos präsentiert sich dabei einerseits als eine Metapher beziehungsweise Chiffre für eine grundsätzlich bestaunenswerte schöpferisch-kreative Leistung des Menschen, während er andererseits der Erzählinstanz des jeweiligen Einzeltextes nicht selten zum Ausdruck technikkritischer Wertungen dient.

Inhalt
 
Einführung
I. Der Traum von der „zweiten Schöpfung“
II. Zentrale Fragestellungen und methodische Vorüberlegungen
III. Stand der Forschung

1. Automaten und ihr kulturgeschichtlicher Hintergrund
2. Automaten in der Literatur des Mittelalters
3. Automaten im Spannungsfeld unterschiedlicher Diskurse
Erstes Kapitel: Der Automat im Mittelalter: definitorische Grundlegung und Formen der literarischen Ausprägung
I. Arbeitsdefinition „Automat“
II. Der Automat in der Literatur: ein technischer Spezialfall
1. Technik als Gegenstand literarischer Darstellung in fiktionalen Texten des deutschen Mittelalters
2. Zwei Grundtypen der literarischen Automatendeskription
2.1 Der Automat dominant ästhetischen Charakters
2.1.1 Die Nachtigall im Salman und Morolf: der mechanische Selbstbeweger mit Spielzeugcharakter als technische Attraktion.
2.1.2 Die Automatenkombination der goldenen Hirschfigur im Straßburger Alexander: der Automat als ein Objekt höfischer Repräsentation
2.1.3 Das Automatenensemble im altfranzösischen Tristan-Roman: Theatralisierung der höfischen Welt zu memorialen Zwecken
2.2 Der Automat dominant instrumentellen Charakters
2.2.1 Die Feuer speienden mechanischen Drachen im Wilhelm von Österreich: der Abwehrautomat mit militärischer Funktion als ein Werk von Magie
2.2.2 Die erzenen Reiterfiguren im Jüngeren Titurel: anthropomorphe Kampfautomaten im Dienst eines christlichen Herrschers
3. Merkmale der literarischen Automatendarstellung
Zweites Kapitel: Kulturgeschichtlicher Hintergrund: zur Vorgeschichte mittelalterlicher Automaten

I. Die Automaten-Frühgeschichte
II. Automaten in der Antike

1. Antike Automatenanekdoten zwischen Mythos und Wirklichkeit
2. Die Glanzperiode der antiken Automatenbaukunst in Alexandria unter den drei Mechanikern Ktesibios, Philon und Heron
III. Automaten in Byzanz und im arabischen Kulturraum
1. Byzantinische Thronautomaten
2. Die Automatenentwürfe der arabischen Welt
IV. Rezeption der antiken und arabischen Tradition des  Automatenbaus im abendländischen Mittelalter
Exkurs: Der Reisebericht des Jean de Mandeville und der Brief des Priesters Johannes – zwei Beispiele fr die fiktive Gestaltung fernöstlicher Räume
V. Zur Vorgeschichte mittelalterlicher Automaten: ein Resümee
Drittes Kapitel: Der mittelalterliche Automat im Schnittpunkt unterschiedlicher Diskurse
I. Mittelalterliche Technik im höfischen Kontext
1. Technischer Fortschritt im Mittelalter
2. Die ersten technischen Fachschriften des Mittelalters
3. Die Mechanisierung der Natur: Technik in der höfischen Adelswelt
II. Der mittelalterliche Automat als ein Werk der Kunst
1. Der mittelalterliche Kunstbegriff.
2. Die Abbildung von Natur im Automaten-Kunstwerk
3. Der literarische Automat als Ekphrasis?
III. Der mittelalterliche Automat im zeitgenössischen Wissenschaftsdiskurs
1. Philosophie
1.1 Aristotelische Bewegungslehre und das „techn“-Konzept
1.2 Die „artes mechanicae“ im Mittelalter: Versuch einer Einordnung der Mechanik ins scholastische Wissenschaftssystem
2. Technik im Kontext von christlicher Religion
2.1 Der monastische Bereich: Technik im Leben der Kirche
2.2 Technik in der kirchlichen Lehre: der Automat in Konkurrenz zur gttlichen Schöpfung
IV. Der mittelalterliche Automat im Kontext von Magie
1. Die sprechenden Häupter des Mittelalters: Gelehrte als Automatenbastler mit magischem Wissen
2. Der Stellenwert von Magie in der mittelalterlichen Welt
2.1 Magie im Mittelalter: eine Begriffsbestimmung
2.2 Magie in der höfischen Kultur: der Automat als Zaubertrick?
Viertes Kapitel: Der Automat und seine Erbauer: Regularitäten der literarischen Automatendarstellung in den mittelhochdeutschen Erzähltexten
I. Der Automat dominant ästhetischen Charakters
1. Der Automat als ein Statussymbol höfischer Repräsentation
1.1 Der tönende Automatenbaum als höfische Attraktion
1.1.1 Der Vogelbaum des Königs Priamos in Der Trojanische Krieg
1.1.2 Unterschiedliche Ausgestaltung des Topos vom tönenden Automatenbaum
1.1.2.1 Elsässisches Trojabuch
1.1.2.2 Seifrits Alexander
1.1.2.3 Wolfdietrich
1.1.2.4 Der Rosengarten zu Worms
1.1.2.5 Heinrich von Neustadt: Apollonius von Tyrland
1.1.3 Konstitutive Merkmale der literarischen Automatenbaumekphrasis
1.2 Der Automat als ein schmückendes Beiwerk von Objekten der ritterlich-höfischen Ausstattung
1.2.1 Tönende Vogelfiguren als Applikationen auf Zelt und Reitzeug
1.2.1.1 Tönende Adlerfigur als Zeltbesatz in Ulrichs von Zatzikhoven Lanzelet
1.2.1.2 Singende Vogelfiguren zur Zierde von prunkvoller Reiterausrüstung in Pleiers Tandareis und im mittelhochdeutschen Tristan als Mönch
1.2.2 Automatische Konstruktionen als Rüstungszierde
1.2.2.1 Animierte Figuren auf Banner und Schild in der mittelhochdeutschen Karlsepik und in der Crône Heinrichs von dem Türlin

1.2.2.2 Automatische Applikationen auf ritterlichen Schauwaffen: tönende Vogelfiguren als Speerbesatz in der Virginal und im Orendel
1.2.2.3 Die automatische Helmzierde als Topos der literarischen Beschreibung ritterlicher Ausrüstung
1.3 Vogelbaum und automatische Applikation: erzählerische Funktionalisierung der repräsentativen Automatenobjekte
2. Der Automat zu memorialen Zwecken.
2.1 Die selbstbeweglichen Grabmalfiguren in Konrad Flecks Flore und Blanscheflur
2.2 Das Grabmal der Camilla: Automatenarrangement zu memorialen Zwecken im Eneasroman Heinrichs von Veldeke
3. Unterhaltung, religiöse Erbauung und Abbildung des Kosmos: Der Automat dominant ästhetischen Charakters und seine vielfältige Funktionalisierung in unterschiedlichen Verwendungszusammenhängen
3.1 Der Automatensalon in Herborts Liet von Troye: Selbstbeweger zu Zwecken höfischer Unterhaltung und körperlicher Gesundung
3.2 Der Graltempel in Albrechts Jüngerem Titurel: Automaten mit religiös-spirituellem Verwendungszweck
3.3 Die kosmologische Thronautomatik im Wilhelm von Österreich

II. Der Automat dominant instrumentellen Charakters
1. Militärisch-politische Funktionalisierung: Der Automat als ein Instrument zur Überwachung und Verteidigung eines Herrschaftsgebietes
1.1 Der Wächterautomat mit militärisch defensiver Ausrichtung
1.1.1 Die „Salvatio Romae“: der automatische Wächter als Frühwarnsystem
1.1.2 Der Wächterautomat als ein Werk von Nekromantie: die heidnische Götzenstatue „Salacandis“ im Karl Meinet
1.1.3 Automatische Statuen in Ulrichs von Etzenbach Alexander: Warnung vor menschlicher Selbstüberschätzung
1.1.4 Der von Automaten beschützte Eingang von Alardins Prunkzelt im Rappoltsteiner Parzifal: Kombination aus defensiv und offensiv ausgerichteten Wächterkonstruktionen
1.2 Der Wächterautomat mit offensiv feindschaftlicher Ausrichtung
1.2.1 Der Automat als ein kampfbereiter Wächter im Eckenlied und in der Virginal
1.2.2 Zoomorphe Automatenkonstruktionen im Kampf gegen den Protagonisten zwei erzene Stiere in Konrads von Würzburg Der Trojanischem Krieg
1.3 Variationen des Wächter- beziehungsweise Abwehrautomaten mit militärisch-politischer Funktion in der mittelhochdeutschen Artusepik
1.3.1 Der Automat nekromantischen Ursprungs als Bewährungsprobe für den christlichen Ritter in Wolframs von Eschenbach Parzival
1.3.1.1 Clinschors „Lît marveile“: Automat mit Abwehrfunktion im Dienst von Nekromantie
1.3.1.2 Der Bettautomat im Dienst des Zauberers: Instrumentalisierung der Technik zu Schadenszwecken in der arturischen Gegenwelt
Exkurs: Wundersäule mit Zauberspiegel
1.3.1.3 Die Überwindung des Abwehrautomaten durch den christlichen Ritter
1.3.2 Wirnts von Grafenberg Wigalois: ein Radautomat als Abwehr- und Schutzmechanismus
1.3.3 Der tönende Tierautomat als Grenzwächter in Strickers Daniel von dem Blühenden Tal
1.3.4 Der sprechende Wächterautomat in der Crône Heinrichs von dem Türlin
1.3.5 Androide Wächterautomaten und eine ungeheuerliche Lärmmaschine: das Abenteuer von „Dolorose Garde“ im Prosalancelot
2. Von magischen Apparaten der Bewirtung bis hin zu einem selbsttätigen Schachspiel: der Automat mit Spielzeugcharakter
2.1 Das automatische Schachspiel im Prosalancelot: Prüfung für den ritterlichen Helden
2.2 Das Automatenobjekt zu Zwecken höfischer Bewirtung
Fünftes Kapitel: Auswertung der Ergebnisse
I. Der mittelalterliche Automat und seine funktionale Semanti sierung im Rahmen unterschiedlicher Diskurse
II. Konstitutive Merkmale der Automatendarstellung: der Automat als Zeichenträger
III.Unterschiedliche Verteilung der Automatentypen auf die  Gattungen der mittelhochdeutschen Erzählliteratur
Schlussbemerkung
Anhang
I. Übersicht: Automatenbelege der mittelhochdeutschen Erzählliteratur
II. Abbildungsverzeichnis
Literaturverzeichnis
I. Textausgaben: mittelalterliche Primärliteratur
II. Quelleneditionen und sonstige Primärtexte
III. Forschungsliteratur
IV. Hilfsmittel
Nachwort