Wels, Volkhard: Triviale Künste. Die humanistische Reform der grammatischen, dialektischen und rhetorischen Ausbildung an der Wende zum 16. Jahrhundert (Studium Litterarum. Studien und
Texte zur deutschen Literaturgeschichte, Band 1) ISBN 3-89693-145-8 (01/2000)
334 Seiten, Ebr, EUR 40,50
Die Arbeit beschreibt die humanistische Reform der ‚Triviums‘, d.h. der grammatischen, dialektischen
(d.h. logisch-argumentativen) und rhetorischen Ausbildung, wie sie sich in dem Zeitraum von 1480 bis 1540 an Schulen und Universitäten durchsetzte. Die Arbeit ist dabei sowohl historisch wie systematisch angelegt,
indem sie die Lehrinhalte der jeweiligen Kunst an ausgewählten Lehrbüchern darstellt, gleichzeitig aber unter ständigem Rückbezug auf die scholastisch-mittelalterliche Tradition die humanistischen Neuerungen davon
abgrenzt. Im Zentrum stehen Werke von Lorenzo Valla, Rudolf Agricola, Erasmus, Juan Luis Vives und Philipp Melanchton. Es stellt sich dabei heraus, daß die humanistischen Neuerungen in erster Linie die
Praxisbezogenheit des Triviums betreffen, erst aus dieser ergeben sich dann die inhaltlichen Neuerungen. Unter Praxisbezogenheit ist dabei sowohl die Ableitung von Grammatik, Dialektik und Rhetorik aus der
Beobachtung ihrer immer schon vorgängigen Anwendung zu verstehen, als auch ihre Anwendung zum Zweck der sprachlichen, argumentativ-logischen und rhetorischen Analyse. D.h. das grammatische, dialektische und
rhetorische Regelwerk wird auf deskriptivem Weg gewonnen, um wiederum in der Analyse auf die Praxis zurückgewendet zu werden. Dieser Analyse wird dabei von alltäglichen Äußerungen, politischen, religiösen oder
sonstigen sachlichen Texten bis hin zu literarischen Werken alles unterzogen. In einem letzten Teil stellt die Arbeit drei solcher Analysen vor und versucht sich schließlich selbst an einer
dialektisch-rhetorischen Analyse dreier dramatischer Bearbeitungen der Parabel vom verlorenen Sohn.
Inhalt
eloquentia der Briefwechsel von Pico della Mirandola, Barbaro und Burchard – die
Unvereinbarkeit von Humanismus und Barbarei – das Wesen der eloquentia Die Apologie des Barbaren schwere Verständlichkeit der philosophischen Sprache – Rhetorik als Kosmetik –
Überflüssigkeit sprachlicher Gestaltung Die Antwort des Humanisten eloquentia als Bedingung von sapientia – eloquentia als das wahre Gesicht des Sachverhaltes – Notwendigkeit einer
Reformation der Philosophie grammatica consuetudo das ad placitum-Argument und die Historizität der Sprache – Sprachgebrauch als Norm – Vives' >In Pseudodialecticos<
– triviale Künste als deskriptive – doppelte Negation – Mores Brief – Vallas >Retractatio Dialecticae< ratio Wissenschaftsbegriff der Zweiten Analytik – positive und
spekulative Grammatik – modi significandi – ratio als Prinzip der Etymologie – Isidor von Sevilla – das >Catholikon< und die barbarischen Glossare – Vallas Elegantien latinitas Lateinisch
und Römisch – Grammatikalität der Volkssprachen – Dantes volkssprachliche Beredsamkeit – >Vallas Apologus< – die Notwendigkeit von Grammatikunterricht – Quintilian I 6.3 –
Analogie und Anomalie elegantia Vallas >Elegantiae< – Definition der elegantia – Solözismen und Barbarismen – Gebräuchlichkeit und Eigentümlichkeit – Perottis
>Cornucopiae< – humanistische Lexikographie – Calepinus und der >Thesaurus linguae latinae< – Ciceronianismus familiarum colloquiorum formulae Unterrichtsgrammatik als
Lernhilfe – das Gespräch als alltäglicher Gebrauch der Sprache – Formelsammlungen und Schülergespräche – Konventionalität – Sprichwörter copia verborum copia als lexikalische
Bedingung: Perottis >Cornucopiae< – copia als Ausdrucksvermögen: Vallas >De voluptate< – copia als Methode: Erasmus' >De copia< – Einübung der copia Collatio, quae
ostendit verius philosophari oratores et poetas, quam barbaros philosophos Latein als Wissenschaftssprache – die Ordnung von Prädikat und Subjekt – Luther über Theologie und Dialektik –
Nizolius' >De veris principiis< – die Trennung von Philosophie und Rhetorik – Humanismus als Philosophie dialectica ars Kunst als Beobachtung – Kunst als bewußte
Anwendung einer Regel – Kunst als natürliche Fähigkeit – Fuchspergers bäurische Syllogismen – Notwendigkeit einer Dialektik als Kunst – Vallas Streichung der dritten Figur –
Melanchthons Ableitung der Dialektik aus dem Gespräch inventio Agricolas >De inventione dialectica< – oratio und docere – die Glaubwürdigkeit des Argumentes – topoi als Indices
– inventio und iudicium – syllogistische Form – iudicium als natürliche Fähigkeit: die Bauern Fuchspergers – humanistische und barbarische Topik topoi Klassifikation der topoi
– topoi für Sachverhalte – für Personen – Beschreibung (descriptio) als Einübung probabilitas topoi als Auswahl- und Ordnungsprinzip (Melanchthon) – Arten des Syllogismus –
Ursachen der Gewißheit – Argumente als Werkzeug der Glaubwürdigkeit (Vives) – Formen der Ablehnung und der Zustimmung quaestio Melanchthons Definition der Dialektik – Abgrenzung der
Dialektik von den anderen Wissenschaften – Dialektik als Methodik der Wissenschaft – die Frage als Stoff der Dialektik – Bestimmung der Frage nach Agricola praedicabilia et praedicamenta Aufbau
von Melanchthons >Erotemata dialectices< – Prädikabilien und Prädikamente als Lehre von der logischen Struktur des Satzes – Murmellius' >Isagoge< – Definition und divisio –
zehn Fragen der Methode – Lehre vom Satz argumentatio humanistisches Verhältnis zur Syllogistik – Arten der argumentatio: Syllogismus und Induktion – Enthymem und loci communes –
exemplum – Verborgenheit des Argumentes – Notwendigkeit der rhetorischen Form expositio Wesen der expositio – causa und ratio – Beispiele aus der >Aeneis< – Arten der
expositio – Glaubwürdigkeit und Angemessenheit als Bedingungen dispositio die Ordnung der Fragen als dispositio – ordo naturalis, arbitrarius und artificialis – dispositio bei
Dichtung, Geschichtsschreibung und Lehrbuch – dispositio einer argumentatio – dialektische und rhetorische dispositio movere docere, movere und delectare durch Worte und Sachverhalte –
Argument und Gefühl am Beispiel des Mitleids – syllogistische Struktur des Gefühls – amplificatio und diminutio – Gefühle in der Sprache delectare die Person des Zuhörers – der
Unterhaltungswert des Sachverhaltes – Abschweifung – der Unterhaltungswert der imitatio – Unterhaltungswert der Dichtung, der Geschichtsschreibung und der Philosophie de copia et brevitate
in dicendo Vieles über Weniges oder Weniges über Vieles – copia und imitatio – copia in der argumentatio und expositio: das erste Buch der >Aeneis< – Dichtung als Spiegel –
Prinzipien der brevitas de copia rerum die zwölf Methoden des Erasmus – das zweite Buch von >De copia< exempla Definition und Unterarten des exemplum nach Erasmus –
Bernhardis Definition und Gliederung ratio colligendi exempla die Methode des Sammels von exempla – Agricolas >De formando studio< – topoi als Rubriken – loci communes als
Rubriken – loci communes nach Bernhardi – die drei Arten der Behandlung eines locus communis rhetorica discrimen dialecticae ac rhetoricae Unterschied zwischen Dialektik und
Rhetorik nach Valla – nach Agricola – Melanchthons Definition der Rhetorik – Rhetorik als Methode des Verstehens – praecepta und imitatio – das genus didaskalikon genera
causarum Zweck der Lehre von den Redegattungen – Bestimmung des genus didaskalikon – einfache und zusammengesetzte Fragen – Abhängigkeit der anderen genera partes orationis Zweck der Lehre von den Redeteile – Aufgliederung der topoi genus
iudiciale der status als zentraler Syllogismus – rhetorische Terminologie des Syllogismus – topoi des status coniecturalis – iuridicialis – und legalis genus deliberativum Bestimmung
des genus deliberativum – seine partes orationis – seine topoi: das Nützliche, das Ehrenvolle, das Leichte – der Krieg gegen die Türken genus demonstrativum Bestimmung des genus
demonstrativum – Lob und Tadel – rhetorische Gestalt der Psalmen – Lothar von Sachsen loci communes allgemeine Gesichtspunkte und Allgemeinplätze – besondere und allgemeine topoi
– hypothesis und thesis – zentrale und beiläufige loci communes – Aphthonius – loci communes als Ordnung des Wissens – die loci-communes-Sammlung affectus 215 Gefühle und
Allgemeinplätze – ethe und pathe, Symphathie und Affekt – Gefühle, emphasis und energia dispositio Bedeutung der dispositio für das Verständnis – der Römerbrief – dialektische
Ordnung der dispositio – Notwendigkeit der Amplifikation elocutio elocutio als Gesetzmäßigkeit des Sprechens – perspicuitas – Grammatik als Teil der Rhetorik – Dreiteilung der
elocutio – Bedingungen grammatischer Korrektheit – Latein als Zweitsprache – Wortneuschöpfungen figurae Notwendigkeit der Figuren – Tropen und Schemata – die Arten der
Trope und ihre dialektischen Grundlagen – die Allegorie und ihre Arten – Untergliederung der schemata amplificatio Notwendigkeit der Amplifikation – Argument und Ornament –
hypothesis und thesis – auxesis: die Amplifikation der minor – beiläufige loci communes – Figuren der dritten Klasse de quatuor sensibus sacrarum literarum Allegorie und Vierfacher
Schriftsinn – Psalm 110.4 – triviale Analysen gegen allegorische Phantasien – die Bibel als loci-communes-Sammlung – Argumente statt Allegoresen – Regeln der Allegorese – Luther
als Vorbild imitatio praecepta und imitatio – Formen der imitatio – Ciceros compositio als beste – falsche imitatio Ciceros – Regeln der imitatio: Verständnis der dialektischen
Ordnung – des Periodenbaus – der Ornamente und des Rhythmus genera dicendi Notwendigkeit der Stilarten – Charakteristik der drei Stile Die Ökonomie des Triviums Abhängigkeit
der trivialen Künste voneinander – der Vergleich Zenons – Sprache und Malerei – Methode und Exegese – die Methoden von Crusius – Melanchthons Widmungsbriefe: Analyse als Zweck von
Dialektik und Rhetorik – Melanchthons Schlüsselerlebnis De usu et exercitatione Beispiele rhetorischer und dialektischer Analysen Scholia in orationem pro lege Manilia Agricolas Analyse von Ciceros >Rede für das manilische Gesetz< Commentarium
in Nucem Ovidii Erasmus' Analyse von Ovids >Nux< Argumenta seu dispositiones in Vergilii Bucolica Melanchthons Analyse der ersten Ekloge Der verlorene Sohn Versuch einer
rhetorisch-dialektischen Analyse von Burkard Waldis' >Parabel vom verlorenen Sohn< – Analyse von Salats Bearbeitung der Parabel – Analyse von Gnapheus' Bearbeitung
Literaturverzeichnis Quellen Forschungsliteratur Register Personen- und Werkregister Sachregister
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