Lemke, Cordula / Zittel, Claus (Hrsg.): Joseph Conrad (1857-1924) (MEMORIA, Band 8) ISBN 978-3-89693-501-4 (10/2007)
252 Seiten, Kt., EUR 32,00 Vor 150 Jahren wurde nicht nur der große, respektable
Gentleman, den Leavis so verehrte, geboren, sondern auch der Seefahrer, Schmuggler und Abenteurer Joseph Conrad. Bis heute haben viele seiner Werke nichts von ihrer Faszination verloren: Die Mythen und Legenden, die
sich um sein Leben und sein Werk ranken, die heftigen Kontroversen und Debatten, die um Conrads Schriften geführt werden, schärfen immer wieder den Blick für die Komplexität und Vielschichtigkeit seines Schreibens
und halten ihn stets im Bewusstsein seiner Leser. Wenige Schriftsteller haben ein vergleichbar ungewöhnliches, widersprüchliches und dennoch dauerhaft einflussreiches Werk hinterlassen, Romane, Erzählungen, Essays,
die bis heute kompromisslose Ablehnung und glühende Verehrung provozieren. Der Band erhebt nicht den Anspruch, alle Aspekte des Conradschen Schaffens auszuleuchten. Auch sollen die Beiträge Conrad nicht ehren,
indem sie lexikalisch-seminarhaft die einzelnen Werkkomplexe abschreiten. Der Band versammelt vielmehr Beiträge, die sich mit Conrads Werk aus der Sicht gegenwärtiger Debatten auseinandersetzen und
Positionsbestimmungen vornehmen. Themen wie der politische Conrad, sein Verhältnis zum Kolonialismus, die Genderproblematik, das Verhältnis von Literatur und Wissensgeschichte, die Zusammenhänge von
Erkenntnistheorie und Poetik sowie zwischen Naturwahrnehmung und Motivik, bilden daher Kernstücke des Bandes. Flankiert werden sie durch biographische Hintergrundartikel sowie durch eine Auseinandersetzung mit einer
aktuellen Rezeption eines seiner Werke im Film. Den biographischen Teil des Bandes leitet Wieslaw Krajka mit einer Analyse von Joseph Conrads polnischem Hintergrund ein. Silke Stroh widmet sich der Frage, wie Joseph Conrad selbst zum Thema Exotismus und Kolonialismus steht. Jürgen Kramers Beitrag zum Motiv des Meeres eröffnet den Teil des Bandes, der sich dem Conradschen Werk zuwendet. Die epistemologische Fragestellung untersucht Sibylle Baumbach in Hinsicht auf die Vorherrschaft des Sehens. Stephan Laqué weist an Lord Jim Joseph Conrads Nähe zur Romantik nach. Anhand von The Secret Agent betrachtet Bernd Hirsch Conrads politische Stellungnahme. Cordula Lemke geht der Verknüpfung von faktischem und symbolischem Schiffbruch in Heart of Darkness nach und Andreas Mahlers Beitrag zeigt, weshalb jeder Versuch der Sinnzuweisung in Heart of Darkness schon allein aufgrund seiner narratologischen Verfasstheit scheitern muss. Mit der Conradrezeption der Postcolonial Studies besonders in Afrika beschäftigt sich der Beitrag von Erik Peeters. Shaul Bassi stellt Heart of Darkness in einen postkolonialen Rahmen. Er fragt, inwiefern dieser kanonische Text den Umgang mit Afrika in der kulturellen Perspektive des Westens geprägt hat. Ingrid Hotz-Davies zeigt in einem Überblick über die Geschichte des Seefahrerromans, dass der Ausschluss von Frauen dieses Genre für die Verhandlung von Homosexualität und Homosozialität privilegiert. Sie untersucht die unterliegende Homoerotik der Kurzgeschichte „The Secret Sharer“ und ihre Strukturiertheit um den Begriff des closet herum. Virginia Richter liest Conrads Chance als weiblichen Abenteuerroman, wobei sie die Genderkonzeption des Romans als Resultat narrativer Konstruktion sieht. Tamara Danicic nimmt dagegen die narrativen Strukturen der Texte in den Blick und zeichnet nach, wie
modernistische Erzählweisen mit filmischen Mitteln umgesetzt werden.
Inhalt CORDULA LEMKE/CLAUS ZITTEL: Einleitung: Perspektiven auf
Joseph Conrad WIESLAW KRAJKA: Conrad’s Polish Footprints SILKE STROH: Moral und Politik in Conrads nichtfiktionalen Schriften: eine postkoloniale Polemik JÜRGEN KRAMER: Das Meer bei Joseph
Conrad SIBYLLE BAUMBACH: Der ‚vermessene‘ Mensch: Physiognomische Lektüren in Joseph Conrads Heart of Darkness, Lord Jim und Chance STEPHAN LAQUÉ: „Appealing – significant – under a cloud“: Lord Jim zwischen
Romantik und Moderne BERND HIRSCH: „Tragically eager for self-destruction“: Kulturpessimismus und Zivilisationskritik in The Secret Agent (1907) CORDULA LEMKE: Am Anfang war der Schiffbruch:
Joseph Conrads Heart of Darkness ANDREAS MAHLER: Knitting black ink: Paradigmatisches Erzählen und negative Hermeneutik in Heart of Darkness ERIK PEETERS: Where the Congo and the Thames
flow together: Joseph Conrad’s writings on and in Africa SHAUL BASSI: Heart of Darkness and the Postcolonial Process INGRID HOTZ-DAVIES: Verwerfungen des Closet in Joseph Conrads The
Secret Sharer (1912) VIRGINIA RICHTER: Narrative Revisionen des Geschlechterverhältnisses in Conrads Spätwerk: Chance TAMARA DANICIC: Der filmische Charme der Bourgeoisie: Patrice Chéreaus
Conrad-Verfilmung Gabrielle Zu den Beitragenden
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