Die Reihe wurde vom BERLIN VERLAG Arno Spitz GmbH übernommen.
Die zunehmende Virtualisierung unserer Lebensverrichtungen scheint durch eine verstärkte Konzentration auf Fragen des Körpers, seiner
Kultur und seiner Artikulationen kompensiert zu werden. Die anthropologische und kulturwissenschaftliche Neuausrichtung, die in den Geisteswissenschaften zu verspüren ist, hat gegen eine lange Tradition
logozentrischer Orientierung wieder den Menschen in seinen vitalen Äußerungen, kulturellen Verrichtungen und damit auch wieder den menschlichen Körper als Gegenstand der Forschung erfaßt. Damit wird eine
Tradition, die sich gleichermaßen in der humanistischen Erfassung und Pflege aller Typen menschlicher Artikulation wie in den generalisierenden semiotischen Ansätzen des 19. Jahrhunderts gezeigt hat, von der
heutigen Forschung wieder aufgegriffen. Die Geisteswissenschaften sind als Wissenschaften vom Menschen unter Absehung von dessen Körperlichkeit nicht mehr sinnvoll zu betreiben. Es kommt hinzu, daß gerade in der
heutigen Zeit, in der neuartige Typen der Interaktion zwischen dem Menschen und seiner Umwelt (darunter vor allem auch der Artefakte) entstehen, die Beschreibung des menschlichen Körpers und seine durch kulturelle
Einübung erworbene Leistungsfähigkeit ein besonderes Augenmerk fordern. Die Zeichen, die wir mit dem Körper produzieren, sind von vielerlei Art. Sie bleiben mit dem Körper verbunden, wie Mimik, Gestik und
Körperhaltung, oder lassen sich vom Körper lösen, wie mündliche Äußerungen, Texte und Zeichnungen. Auch unsere Werkzeuge sind Projektionen unseres Körpers; alle Produkte des Menschen haben ihr Maß im menschlichen
Körper. Besonders interessant ist das Verhältnis zwischen Körperverhalten und Sprache: Wir begleiten unsere mündlichen Äußerungen durch illustrierende Gebärden, und wenn wir gehörlos sind, übernehmen Gebärden die
Rolle der mündlichen Äußerungen. In allen Kulturen werden konventionelle Gesten als Ersatz für Sprache verwendet, und viele Wissenschaftler vertreten die Auffassung, daß Sprache sich in der Evolution der Primaten
aus Gesten entwickelt hat. Den Gesten liegen meist Körperbewegungen zur Erfüllung elementarer Lebensfunktionen zugrunde, und sie bleiben physisch, emotional und kognitiv mit ihnen verbunden. Aus der Biologie des
Körpers sind so die menschlichen Kulturen entstanden. Kulturelle Zeichensysteme sind daher biologisch, psychologisch, soziologisch, semiotisch und kulturhistorisch erforschbar. Die Forschungsergebnisse lehren uns,
die Möglichkeiten und Grenzen menschlicher Kulturen zu erkennen und uns selbst besser zu verstehen.
Die Schriftenreihe Körper ♦ Zeichen ♦ Kultur
rückt in der Tradition humanistischer und älterer semiotischer Forschungen stehend den menschlichen Körper in all seinen Erscheinungen, Beziehungen und Interaktionen in den Brennpunkt der Studien, Quellen und Dokumentationen, denen sie ein Forum der Publikation bietet.
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