Krüger, Reinhard: moles globosa, globus terrae und arenosus globus in Spätantike und Mittelalter.
Eine Kritik des Mythos von der Erdscheibe (Archäologie der Globalisierung und der Globalität, Band 1) ISBN 978-3-89693-585-4 (09/2012)
Der Titel ist vergriffen Im Mittelalter, so sagt man, haben die Menschen in einem unvorstellbaren Niedergang der
antiken Kultur auch jedes Wissen von den antiken Errungenschaften verloren. Dies beträfe auch das geographische Wissen und das Wissen um die Kugelgestalt der Erde, an dem die Kirche beispielsweise kein Interesse
mehr gehegt habe. Tatsächlich verhielt es sich in der Geschichte jedoch vollkommen anders: Gerade die katholische Kirche, die als Institution ja eine großräumig wirksame Hinterlassenschaft des Römischen Reiches
war, bediente sich des geographischen, astronomischen und kosmologischen Wissens der Antike als Element des Herrschaftswissens. Zudem hätte sich das Christentum bei den gebildeten Eliten der Griechen und Römer
niemals durchsetzen können, wenn es in Fragen der Interpretation der von allen erfahrbaren Welt hinter den Stand der Antike zurückgefallen wäre. Folgerichtig treffen wir gerade bei Kirchenvätern wie Augustinus
und christlichen Intellektuellen wie Hildegard von Bingen oder Thomas von Aquin auf eine eindeutige lateinische Begrifflichkeit hinsichtlich der Form der Erde: Es ist bei Augustinus die Rede von der kugelförmigen
Masse (moles globosa), die Gott bei der Schöpfung der Erde in den Händen gehalten habe, oder vom sandigen Globus (arenosus globus), den Hildegard von Bingen als das Zentrum des Universums beschreibt.
Andere Autoren des Mittelalters versuchen, diesen lateinischen Begriffen noch volkssprachliche beiseite zu stellen und so treffen wir frühzeitig auf Begriffe wie „Ball – palla – pelota“, „Eidotter
– yolke – yema de huevo“ und „Apfel – apple – pomme“, wenn es darum geht, die Gestalt der Erde im sprachlichen Bild zu erfassen. Es gibt also keinen Grund, dem Mittelalter die
Erdscheibentheorie zuzuweisen und es stellt sich zum Schluss heraus, dass diese ein wissenschaftsgeschichtlicher Mythos ist, der in der Neuzeit gebildet wurde, um die Überlegenheit der eigenen Zeit gegenüber dem
,finsteren‘ und ,dunklen‘ Mittelalter zu behaupten.
Inhalt Vorwort: Kein Freispruch für die katholische Kirche Zur Einleitung: Erdkugel und astronomische Navigation im
Mittelalter? I. Der Wanderer am Rande der Erdscheibe. Ein mittelalterlicher Holzschnitt oder ein graphischer Mythos? II.
Die Kugelgestalt der Erde und die globale Konzeption des Erdraumes im Mittelalter – Ein Versuch über die Archäologie der Globalisierung III.
Eierspeisen, Gastrologie und Kosmologie: Speisemetaphern, kosmologische Modelle und Welterkenntnis bei Petronius Arbiter und Martianus Capella IV. Ei, Apfel, Hand und menschlicher Körper: Analogien im
kosmologischen Denken des Mittelalters V. Siegfried als Seefahrer: Konjekturen zum impliziten Raumbegriff des Nibelungenliedes VI. Sterne, Senkblei & Seemarken: Die astronomische Navigation
im europäischen Mittelalter VII. Die Ebstorfer Weltkarte zwischen mappa mundi und globus terrae, oder: die rationalen Grundlagen mittelalterlicher Weltkarten VIII.
Kosmologisches Wissen, das Konzept des Universums und die Kugelgestalt der Erde bei Ramon Llull (*1232; †1316) Literaturverzeichnis Abbildungsverzeichnis Nachweis
der Erstveröffentlichungen
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