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Cofalla, Sabine: Der 'soziale Sinn' Hans Werner Richters. Zur Korrespondenz des Leiters der Gruppe 47
ISBN 3-89693-112-1 (09/1997)
140 Seiten, 1 Zeichnung von Clodwig Poth, Kt., EUR 17,50

Hans Werner Richter nahm als Gründer und Leiter der Gruppe 47, als Publizist und als Schriftsteller aktiv Einfluß auf das kulturelle und politische Leben der 50er und 60er Jahre. Der vorliegende Band liefert den interpretativen Kommentar zur Auswahledition der Korrespondenz Richters, die Sabine Cofalla 1997 herausgegeben hat.
Den Briefen von und an Richter ist bundesrepublikanische Geschichte eingeschrieben; gleichsam griffen diese als eigenständiger Diskurs ihrerseits strukturierend in die Zeitläufe ein. Auf der methodischen Folie der Kultursoziologie Pierre Bourdieus entfaltet sich das Briefmaterial als spannende – nicht selten kontrastive – Ergänzung zu den öffentlichen Darstellungen, Erinnerungen und Autobiographien aus dem Kreis der Gruppe 47: Worauf beruhte der Mythos der einflußreichsten Autorenassoziation der Bundesrepublik? Welche Bedeutung hatten der interne Diskurs und die spezifische Organisationsform der Gruppe 47 für ihre dominante Stellung im literarischen Feld der Nachkriegszeit? Welche politische Position bezog sie? Und inwiefern ist die Gruppe 47 an die Entwicklung der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit in den 50er und 60er Jahren gebunden?
Die in der Korrespondenz materialisierten Kommunikationsformen geben Aufschluß über die ideelle Basis und die Funktionsweise der Gruppe 47. Und sie dokumentieren Richters strategische Arbeit an ihrer internen Verfaßtheit und ihrem Image als “privater Freundeskreis”, das kontrapunktisch zu ihrem faktischen Einfluß aufgebaut wurde: Gerade durch die pointierte Negation eines Vereinsstatus avancierte die Gruppe 47 im Literaturbetrieb der Bundesrepublik zur dominanten Bezugsgröße.
Ihre soziale Praxis beruhte auf spezifischen Denk-, Handlungs- und Wahrnehmungsschemata, die optimal an die Mentalität des Wiederaufbaus angepaßt waren. Ihre Auflösung ab Mitte der 60er Jahre war Folge eines gesellschaftspolitischen Strukturwandels, den die Gruppe 47 mit initiiert hatte und der sie schließlich als Institution obsolet werden ließ.

Dieses Buch ist der kommentierende Teil zu “Hans Werner Richter – Briefe”, erschienen bei Carl Hanser, München.

Inhalt

1. Einleitung
2. Positionierung im literarischen Feld der Nachkriegszeit
2.1 Die Legitimation der Literatur als gesellschaftspolitische Einflußgröße
2.2 Distinktion der Gruppe 47 gegenüber anderen Autorengruppen
2.2.1 Die “junge Generation” und die Exilautoren
2.2.2 Die “junge Generation” und die “innere Emigration”
2.2.3 Elitenwechsel im literarischen Feld
3. Hans Werner Richter: das mentale Zentrum der Gruppe 47
3.1 Der repräsentative Habitus
3.2 Beziehungsmanagement
3.3 Die Macht des selbstlosen Images
4. Der Mythos “Gruppe 47”
4.1 Legitimation? Aber natürlich!
4.2 Öffentliche Privatheit oder private Öffentlichkeit?
4.3 Einladungspraxis
4.4 Neue Autoren  Reproduktion oder Bedrohung des Habitus?
4.5 Selektion und Konsekration
4.6 Der Kampf um Publizität
4.7 Historie zu Lebzeiten oder: Die Gruppe 47 schreibt Literaturgeschichte
5. Verbindungen zum ökonomischen Feld
5.1 Eroberung des Buchmarkts
5.2 Die lukrativen Medien-Märkte
5.3 Symbolisches Kapital und materieller Erfolg  paradoxale Ökonomie
6. Kapitaltransfer zwischen dem literarischen und dem politischen Feld
7. Die Gruppe 47 politisch gesehen
7.1 “Demokratische Elitenbildung”
7.2 Die außerparlamentarische Opposition in den 50er Jahren
7.3 Strategischer Pragmatismus statt politischer Visionen
7.4 Antistalinismus und “Wandel durch Annäherung”
7.5 Der Mauerbau und die Intellektuellen
7.6 “Vergangenheitspolitik” (Norbert Frei)
7.7 Die Gruppe 47 als komplementäre Opposition
8. Schluß
Anhang
Erläuterungen zur Zitierweise
Archivsiglen
Titelsiglen
Literaturverzeichnis