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Musiktheater / Oper
 

Plachta, Bodo: Ein ‘Tyrann der Schaubühne’?
Stationen und Positionen einer literatur- und kulturkritischen Debatte über Oper und Operntext im 18. Jahrhundert
ISBN 3-89693-232-2 (11/2003)
262 Seiten, 2 Abb., Ebr., EUR 32,00

Obwohl die Oper auf eine über 400jährige Erfolgsgeschichte zurückblicken kann, gehört die kritische Auseinandersetzung mit ihr als Kunstform zu dieser Geschichte wie Erörterungen, die das Verhältnis von Libretto und Musik bzw. die Zusammenarbeit von Librettist und Komponist betreffen. Mit schöner Regelmäßigkeit wurde die Oper totgesagt, während sie selbst immer wieder reüssierte und damit ihren resistenten und innovativen Charakter im zeitgenössischen Kulturbetrieb unter Beweis stellte. Diese kritische Betrachtung der Oper führte in der Frühaufklärung zu grundlegenden Kontroversen, weil das Theater des 17. Jahrhunderts als reformbedürftig angesehen wurde. Von diesen Kontroversen, die das gesamte 18. Jahrhundert hindurch anhielten und in denen prominente literarische ‘Kunstrichter’ die Wortführer waren, will dieses Buch auch deshalb berichten, weil die kritischen Auseinandersetzungen im Bereich der Literatur nicht selten von musikästhetischen Problemstellungen ausgingen und daher die Oper zum Paradigma nahmen.
Wenn Gottsched der Oper anfangs noch ein Heimatrecht unter den dramatischen Formen komplett abspricht und sie damit aus dem poetologischen Diskurs zu verbannen droht, so ist doch am Ende des Jahrhunderts festzustellen, daß Oper und Operntext als feste Größe in den poetologischen und musikästhetischen Überlegungen verankert waren und unangefochten zum kulturellen Diskurs gehören. Doch der Diskurs entfernte sich schon bald von Fragen, ob der Gesang auf der Schaubühne unnatürlich sei und die Oper damit dem Postulat der Naturnachahmung nicht entspreche oder ob der Ausstattungsprunk der Oper und der Unterhaltungsaspekt den Menschen von nützlichem Tun abhalte. Die Debatte geriet zunehmend auch zu einer Auseinandersetzung, wie ein deutsches Nationaltheater oder eine Nationaloper beschaffen sein und wie sich die Oper in Deutschland zu den erfolgreichen italienischen und französischen Vorbildern verhalten sollte. Immer wieder steht auch die Frage im Mittelpunkt, welche Spezifika ein Libretto ausmachen, wie ein literarisch wertvoller Operntext beschaffen sein müsse und wie die Zusammenarbeit zwischen Librettist und Komponist überhaupt zu definieren sei.

Inhalt

Einleitung
 
1. Voraussetzungen
Oper und Kritik
Ausdifferenzierung der dramatischen Formen
Der „Nutzen“ von Oper und Operntext
Die komische Person
Die Arie – „Seele“ der Oper
2. Johann Christoph Gottsched – die Barockoper und ihre Libretti vor dem ‚Kunstrichter‘
Gottscheds Opern-Verdikt
Das barocke Theater auf dem Prüfstand
Praktische Opernkritik: Les opera
Ist das Musiktheater wirklich am Ende?
3. Zwischen Verdammung und Reform – Befürworter und Gegner von Gottscheds Opern-Verdikt
Konturen des Konflikts
Christian Gottlieb Ludwig: „Beweis, daß ein Singspiel oder eine Oper nicht gut seyn könne“
Ludwig Friedrich Hudemann: „Von den Vorzügen der Oper vor Tragedien und Comedien“
Johann Friedrich von Uffenbach: „durch allerley Künste und Vortheile die Sinne vergnügen“
Johann Adolph Scheibe: „Und ist denn eine gute Oper ganz und gar unmöglich?“
Karl Wilhelm Ramler: „Vertheidigung der Opern“
4.  „von Leipzigern und Schweitzern umringt“ – Gotthold Ephraim Lessings Suche nach einem neuen Ansatzpunkt in der Literatur- und Opernkritik
Die Erprobung des Literaturkritikers vor dem Hintergrund der Debatte über Oper- und Operntext
Die Kontroverse zwischen Marpurg und Agricola und Lessings Tarantula-Libretto
Das Ideal einer Verbindung von Musik und Literatur
5. „eine völlig neue Art des Drama“ – Überlegungen zum Singspiel
Was ist ein Singspiel?
Christian Felix Weiße: „Erhohlung“ und „Vergnügen“
Johann Georg Sulzer: die Oper ist „ein fürtrefliches Schauspiehl“
Johann Friedrich Reichardt: „den Gesang allgemeiner zu machen“
Joachim Schuhbauer: zwischen „Theoriegravität“ und „Harlekinsgenius“
6. „Der Cothurn und der Sockus laufen beständig durch einander“ – Justus Möser über europäische Varianten des Musiktheaters
Die Opernbühne und das „Reich der Chimeren“
Artaxerxes und The Beggar’s Opera in London
Die Oper und die „heitere Aufklärung“
7. Christoph Martin Wieland und der „Versuch einer teutschen Oper“
Singspiel als Nationaltheater
Singspiel versus Opera seria
Ein neues Paradigma: Glucks und Wielands Alceste
„Ihr Alceste? Mit dieser Taille!“ – Goethes Farce Götter, Helden und Wieland
8.  „Wir müssen nun auf alle teutsche Opern Theater Anschläge machen“ – Goethes Versuche der Literarisierung von Oper und Singspiel
Experimente mit der Singspielkonvention
Der Briefwechsel mit Philipp Christoph Kayser über Oper und Operntext (1784-1789)
„Aber ich hörte viel von Pamina, viel von Tamino“ – Oper und klassizistische Theaterreform in Weimar
9.  Wilhelm Heinses Hildegard von Hohenthal – ein Abgesang auf die Oper an der Schwelle vom 18. zum 19. Jahrhundert?
Antiquierter Operngeschmack oder Übergang von musiktheoretischem zu literarischem Diskurs?
Oper und Operntext in den Musikalischen Dialogen
Die Vervollkommnung des Individuums mit Hilfe der Oper
 
Literaturverzeichnis
Personenregister